In dem Verfahren nach Artikel 19d Vf

                        PV-II Vf 1/2019

des                  Europäischen Parlaments (s. Beschluss vom 02.02.2019)

gegen              die Vereinigung „XX-Europa“

über die Anträge festzustellen,

  1. Die Partei „XX-Europa“ ist verfassungswidrig.
  2. Die Partei „XX-Europa“ und ihre Unterorganisationen werden aufgelöst.
  3. Das Vermögen der Partei „XX-Europa“ und ihrer Unterorganisationen wird zugunsten des Vermögens der Europäischen Union eingezogen.
  4. Es ist verboten, Nachfolgeorganisationen für die Partei „XX-Europa“ und ihre Unterorganisationen zu bilden.

hat das Verfassungsgericht – 2. Senat – unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter

[…]

am 03.05.2020 für Recht erkannt:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Anträge der Antragsgegnerin auf Einstellung des Verfahrens werden verworfen.

Die Anträge des Antragsstellers werden verworfen.

Die Anträge der Antragsgegnerin auf Erstattung der notwendigen Auslagen werden verworfen

Begründung:

Es handelt sich um ein Parteiverbotsverfahren gemäß Artikel 19d Vf. Antragsteller ist das Europäische Parlament, ein Verfassungsorgan. Antragsgegnerin ist die Vereinigung „XX-Europa“, eine rechtsextreme Gruppierung, die die Verfassungsintegrität der Europäischen Union nicht anerkennt und sie mit militärisch-gewalttätigen Mitteln bekämpfen will.

Die Anträge haben aus formalen Gründen keinen Erfolg:

Gemäß § 55 VfGG ist ein Parteiverbotsverfahren durch ein Verfassungsorgan einzuleiten und gegen eine Partei im Sinne des § 1 PartGG und im Sinne des Artikel 19 Vf zu richten. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine Partei im Sinne des Artikel 19a Vf handelt.

Die Norm definiert Parteien als Vereinigungen, die sich an „der Demokratischen Willensbildung beteiligen“. Demokratische Willensbildung ist dabei der kommunikative und elektive Prozess, in dem aus den Meinungen und Interessen der Einzelpersonen eine für die staatliche Gewalt und die Gemeinschaft verbindliche Gesamtmeinung gebildet wird. In einem demokratischen Rechtsstaat hat Gewalt keinen Platz in diesem Prozess. In dem Verfassungssystem wesentliche Ausprägungen dieses Prozesses sind Wahlen und Abstimmungen, sowie die Gesetzgebung zwischen Parlament und Rat.

Eine Vereinigung kann sich an diesem Prozess beteiligen (und somit eine Partei iSd A. 19a Vf sein), auch wenn sie verfassungswidrige Ziele im Sinne des Artikel 19d Vf verfolgt. So kann eine Partei sich regelmäßig an Wahlen und anderen Mitteln demokratischer Willensbildung beteiligen und trotzdem in ihrem Programm verfassungswidrige Ziele verfolgen.

Sinn der Norm des Artikel 19d Vf ist der Schutz der Demokratie vor ihren organisierten inneren Feinden. Das Parteienverbot als schwerste und zweischneidigste Waffe, die der demokratische Parteienstaat liefern kann stellt im weiteren Sinne eine Einschränkung der organisierten Meinungsfreiheit dar. Dennoch ist seine Existenz für eine wehrhafte Demokratie unabdingbar. Demnach erfordert seine Anwendung höchste Vorsicht und muss alle Anforderungen des rechtsstaatlichen Verfahrens erfüllen, insbesondere, da er durch seine Natur unanfechtbar und unwiderruflich wirkt.

Insbesondere erfordert er auch, dass alle anderen möglicherweise zur Verfügung stehenden Mittel erfolglos ausgeschöpft wurden und, dass eine unmittelbare Bedrohung für die Demokratie glaubhaft gemacht werden kann.

Auch wenn ein Parteiverbot im Allgemeinen weitergehende Wirkung entfalten wird, kann seine Grundlage nur sein, dass eine Bedrohung durch die Teilnahme an der Demokratischen Willensbildung ausgeht. Denn andere Gründe sind durch mildere Mittel, wie Versammlungsverbote, durch die allgemeinen Straftatbestände (insb. Landfriedensbruch, Hochverrat, Planung eines gewalttätigen Umsturzes), durch Einziehung von für Straftaten verwendeten Gegenständen oder Vereinigungsverbote und auf dem Wege der Grundrechtsverwirkung gemäß Artikel 16b Vf, bekämpfbar.

Nach diesen Maßgaben bleiben die Anträge ohne Erfolg.

Es ist weder offensichtlich, noch wurde glaubhaft gemacht oder belegt, dass sich die Antragsgegnerin an der Demokratischen Willensbildung im Sinne der obigen Definition beteiligt. Da sie das Verfassungsgefüge insgesamt nicht anerkennt, ist es nach ihrer Ansicht folgerichtig, dass sie sich nicht an Wahlen beteiligt.

Sie beteiligt sich auch nicht an direktdemokratischen Mitteln der Beteiligung, sofern diese auf Staats- oder Regionalebene zur Verfügung stehen. Kundgebungen haben mehr militärischen als politischen Charakter und sind offenbar weder geeignet noch dazu gedacht, andere Menschen zur eigenen politischen Meinung zu überzeugen. Ihnen liegt ausschließlich eine Angstschaffungsfunktion zugrunde.

Somit handelt es sich bei der Antragsgegnerin nach Ansicht dieses Gerichts nicht um eine Partei im Sinne des Artikels 19 Vf, sondern eher um eine (verfassungswidrige) Vereinigung im Sinne des Artikel 7 I Vf.

Somit ist das Verfahren unzulässig und die Anträge des Antragsstellers zu verwerfen. Auch die Anträge der Antragsgegnerin sind zu verwerfen, da sie unbegründet sind, soweit die Antragsgegnerin ihre verfassungswidrige Gesinnung zurückweist. Im Übrigen sind sie substanzlos und somit unzulässig.

Da alle Anträge erledigt sind, wird das Verfahren eingestellt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

P.S.
als Berichterstatter